X3. REIMBOX: MENSCH + MASCHINE

INSTALLATION 14. – 16. September 2012

Die REIMBOX wird am Freitag eingeschaltet und produziert, ohne Unterlass, metrisch geformte, grammatikalisch korrekte und reimende Gedichte. Dazwischen sind die Besucher eingeladen sich mit der Maschine zu messen oder auch Kontrapunkte zu setzen. In einer Werkschau werden die beiden Entwickler der REIMBOX die Entstehungsgeschichte und die Technik hinter der Maschine erläutern.

Seit 2008 arbeitet und forscht das Team an grundlegenden Techniken der automatischen Sprachanalyse, insbesondere der automatischen Analyse, Generierung und sprachlichen Synthese von Gedichten. Im Zuge dessen hat das Team unter der Bezeichnung Metricalizer eine Software für die automatische Strukturanalyse von Gedichten sowie das erste vollständig algorithmisch erzeugte Reimlexikon “Echtreim” entwickelt. 2011 haben sie den ersten Gedichtgenerator online gestellt, der metrisch gebundene und reimende Gedichte generieren kann.

2012 ist der Gedichtgenerator REIMBOX entstanden. Zum ersten mal wurde die REIMBOX im Rahmen der KAMUNA im ZKM in Karlsruhe ausgestellt.

Vita Klemens Bobenhausen

* 1971 in Freiburg in Breisgau

Klemens Bobenhausen, geb. Wolber, Jahrgang 1971, gebürtig und wohnhaft in Freiburg, studierte und lehrte bis 2010 an der Universität Freiburg im Fach Linguistik. Seit 2011 ist er als Product Manager in der freien Wirtschaft tätig.

Lebt und arbeitet in Freiburg.

Vita Benjamin Hammerich

* 1985 in Freiburg in Breisgau

Benjamin Hammerich, geboren 1985 in Freiburg und wohnhaft in München, studierte Physik an der ETH Zürich und TU München. Zur Zeit arbeitet er als Ingenieur für Luft- und Raumfahrt.

Lebt und arbeitet in München.

Badische Zeitung vom 14. September 2012:
Klemens Bobenhausen im Interview mit Jürgen Reuß anläßlich X3. REIMBOX: MENSCH + MASCHINE.

Interview zur REIMBOX mit Klemens Bobbenhausen
geführt am 14. August 2012 in Freiburg

Was ist die Reimbox?

Die Reimbox ist der Versuch einer Maschine, Gedichte nicht mehr durch die Menschen sondern durch den Computer generieren zu lassen. Das heißt, dass man hingeht und der Maschine Regeln und Phänomene beibringt, wie Gedichte aufgebaut sind und diese Maschine soll diese Gedichte dann aus sich heraus und ohne das Zutun eines Menschen und ohne vorgenerierte Sätze eines Menschen selbständig erstellen.

Und das passiert dann nach mathematischen Mustern?

Im Prinzip sind es mathematische Muster, die dahinter stehen, es sind aber natürlich erst einmal auch sprachliche Muster, weil Gedichte aus Sprache bestehen und uns in erster Linie auf der Ebene ihrer Sprache beschäftigen, aber es sind insofern eben mathematische Muster, wenn wir sagen, dass Gedichte traditionell in den letzten dreihundert Jahren metrischen Regeln folgen und diese metrischen Regeln sind nun einmal mathematische Muster. Das heißt über die Anzahl der Hebungen in einem Gedicht wird der Vers definiert. Es gibt Gedichte mit 3,4,5 Hebungen pro Vers und die Beschreibung dieser Muster sind rein mathematisch. Und insofern ist die Box im Herstellen dieser Gedichte nicht nur sprachlich versiert, sondern auch mathematisch versiert, einmal ganz angesehen davon, dass das Innenleben der Box natürlich programmiert und diese damit per se mathematisch ist.

Gibt es bei der Reimbox nicht einen Bezug zur Konkreten Kunst, die ja aus dem Weglassen dessen, was natürlich vorkommt und aus einer mathematischen Abstraktion oder einem geometrischen Muster schöpft?

Das ist richtig. Diese Box, so wie sie jetzt dasteht, hat Affinitäten zu dieser Konkreten Kunst, vor allem deshalb, weil diese Box im Moment eigentlich nur DADA produziert, also keine Texte, die uns inhaltlich irgendwo abholen und menschlich sind, sondern sie produziert DADA in dem Sinne, dass sie ganz kreativ mit Sprache umgeht und versucht, die sprachlichen Mittel, die uns zur Verfügung stehen nach grammatischen Regeln zusammenzusetzen und daraus Sätze, Verse und Gedichte zu generieren. Und diese Konkrete Kunst hat mit Sicherheit ihren Ursprung wie der Dadaismus auch in der Ablehnung und Abneigung des aufkommenden Nationalsozialismus, denn diese Form der Kunst ist zu einer Zeit entstanden, in der man gesagt hat: wir wollen eigentlich nichts mehr generieren, tun und sagen, was politisch belegt und belegbar ist. Und es ist kein Zufall, dass in den 50er Jahren Theoretiker wie Max Bense und Praktiker wie Theo Lutz anfangen haben, stochastische Gedichte zu generieren, weil sie gesagt haben, wir wollen eine Sprache beschreiben und hervorrufen, die eben nicht mehr politisch konnotiert ist, politisch belegt ist, sondern es muss frei sein von jeder Form der politischen Konnotation und Einnahme. Es sollte möglich sein, aus sich heraus sprechen zu können, sie wollten weg von diesen Floskeln, die ihre Sprache in den letzten Jahren beherrscht hatte.

Das ist vielleicht eine gute Überleitung zu den Ursprüngen dieser Textgattung, wenn Du sagst, dass die ersten stochastischen Gedichte bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts und wahrscheinlich sogar noch von Hand entstanden und ohne das Zutun eines Computers entstanden sind.

Im Prinzip sind wir Nachreiter dieser Generation, natürlich mit anderen theoretischen Vorzeichen, weil es heute nicht mehr darum geht, die Sprache von nationalsozialistischem Gedankengut zu befreien, sondern eher darum, unsere eingefahrene Sprache, die nur noch mit Floskeln einhergeht, wieder in die Blüte zu bewegen und zu sagen, wir wollen wieder zeigen, wie kreativ Sprache, wie abgefahren und abstrakt Sprache eigentlich sein kann. Und natürlich stehen wir dabei in einer Tradition mit diesen Menschen, die am Anfang wirklich mit Stift und Zettel angefangen haben, Buchseiten in kleine Streifen zu schneiden und auf jeden dieser Streifen einen Satz notiert haben. Und man konnte das Buch dann nicht mehr seitenweise umblättern sondern quasi streifenweise – und so sind neue Gedichte allein dadurch entstanden, dass man einzelne Streifen umgeblättert hat und jedes Umblättern hat dazu geführt, dass die sichtbaren Steifen zu einem neuen Gedicht zusammenwuchsen.

Du hast auch ein früheres Projekt gehabt mit einem Reimgenerator? Ein Spickzettel für Hip-Hopper, Slampoeten, Dichter. Ist daraus die Idee entstanden für diese Reimbox?

Also die Idee ist älter, aber im Prinzip ist diese Reimdatenbank ein Modul, das notwendig war, um irgendwann so einen Gedichtgenerator zu entwickeln. Das bedeutet, man muss erkennen können, welche Wörter sich klanglich und nicht solche, die sich aufgrund ihrer Buchstaben ähnlich sind. Das ist natürlich notwendig, um so etwas wie „Reim“ zu generieren. Und auf der anderen Seite eben das, was wir bereits vorhin angesprochen hatten: den Bereich der Metrik, Hebungen und Senkungen im Gedicht zu erkennen und später zu generieren. Beide Module waren überhaupt erst die Grundlage, so eine Box entwickeln zu können, die dann schön klingende Texte generiert.

Die eigentliche Idee für diese Entwicklung einer Reimbox war aber mehr oder weniger überschüssige Energie. Ich habe mich schon immer für Computer interessiert und für Gedichte und die Frage war immer: was ist der maximum warp, wenn man diese beiden Dinge zusammenbringt und alle Hebel und Register zieht, um sie zu verbinden.

Hat ein Mensch eine Chance gegen die Reimbox?

Also er hat insofern eine gute Chance, wenn es um Gefühl, Emotion und Inhalt eines Textes geht, weil diese Box im Prinzip nur Klang generieren kann. Er hätte aber wahrscheinlich keine Chance, wenn beide versuchen würden, mit den Gedichten ein Kind zum Einschlafen zu bringen, weil die Reimbox unbestechlich darin ist, sinnlose Lullabies zu generieren, die einen einfach durch ihren Klang einlullen und in einen zufriedenen Zustand hineintreiben. Aber die Box würde verlieren gegen Menschen, die was zu sagen haben.

Was ist die Zukunft von eurer Maschine?

Wenn es darum geht, zu fragen, was denn die Zukunft einer solchen Maschine sein könnte, dann ist sicherlich der erste und hehrste Gedanke, dass die Maschine irgendwann einmal Gedichte generieren können soll, die menschenähnlich sind, dass man also nicht mehr unterscheiden kann zwischen einem generierten Gedicht und einem menschengemachten.

Das ist ja der Turing-Test!

Das ist der Turing-Test, der ist ja weltbekannt geworden und das Gedicht an sich ist ja auch das prominente Beispiel, wo Turing gesagt hat, im Prinzip scheitert die Maschine genau an der Anforderung: „Mache mir ein Gedicht über die Forth-Bridge“. Dann, so Turing, könnte die Maschine nur antworten: „Ich kann keine Gedichte über die Forth-Bridge machen!“ Und jetzt sind wir an dem Punkt, wo wir sagen können, eigentlich ist es möglich, Gedichte über die Forth-Bridge zu machen, eigentlich ist das nicht mehr das Problem, das Problem ist vielmehr das, was Enzensberger in seiner Einladung zu einem Poesieautomaten beschreibt: Wie generiert denn so eine Maschine Gedichte? Man muss genau so, wie wenn Menschen Gedichte generieren, davon ausgehen, dass von hundert Gedichten, die ein Mensch oder eine Maschine generiert, 90 scheiße sind, 10 fragwürdig, 5 gut und 5 sehr gut. Und das interessante an der Maschine ist eigentlich, dass sie keine Präsens dafür hat, ob ein Gedicht gut ist oder nicht. Da kommt der Mensch ist Spiel, der eigentlich ein Filter, ein Indikator darstellen muss und sagen muss: Da sind nun 1 Millionen Gedichte aus der Maschine generiert und das gefällt mir und das gefällt mir nicht und dadurch erst findet eine Qualifizierung statt, mit der man bemessen kann, was diese Maschine überhaupt leistet. Aber man darf auf keinen Fall dieser Maschine die Freiheit nehmen, kreativ zu sein. In dem Moment, in dem man versuchen würde, das zu tun, würde man sie auf eine Banalität beschränken, die dazu führen würde, dass man zwar ein Grundniveau halten würde, aber es wäre halt nichts mehr vorhanden, das abgefahren wäre.

Wenn man diese Reimbox in den Weltraum schießen würde, fremden Zivilisationen entgegen, was würden die denken?

Die würden, wenn sie intelligent sind, erst einmal die mathematische Struktur dahinter wahrnehmen können, auch wenn sie die Sprache an sich nicht verstehen können. Und wenn sie diese mathematische Struktur innerhalb der Gedichte wahrnehmen würden, dann würden sie hoffentlich davon ausgehen, dass wir Menschen zumindest auch eine gewisse Form der Intelligenz mitbringen.

Schöner Schlußsatz!